50 Jahre Olympische Segelregatta in Kiel – Krimi zum Finale des Kiel Olympic Revival
von Hermann Hell / Ralf Abratis 21. August 10:11 PDT
10.-21. August 2022
Schöne Bilder am letzten Tag. © www.segel-bilder.de
Der Abschluss der Wiederbelebung der olympischen Segelregatten von 1972 bot noch einmal Hochspannung auf der Kieler Förde.
Während bei der Weltmeisterschaft der Tempest über die Vergabe der Bronzemedaille nur knapp entschieden wurde, waren bei der Nordeuropameisterschaft der Star-Klasse und der Internationalen Deutschen Meisterschaft der Fliegenden Holländer Gold und Silber umstritten.
Neben den bereits feststehenden Tempest-Siegern Markus Wieser/Thomas Auracher feierten Jörgen Schönherr/Markus Koy (Star) und Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Flying Dutchman) den siegreichen Abschluss vor Kiel.
Weltmeisterschaft des Sturms
Nach acht WM-Läufen, bei denen entweder Markus Wieser/Thomas Auracher (München) oder Lars und Leif Bähr (Berlin) als Erster die Ziellinie überquerten, hatten am Ende andere Tempest-Crews die Chance auf den Sieg. Gold und Silber waren bereits im Titelkampf vergeben worden, und so entschieden sich die Weltmeister (Wieser/Auracher) sowie die ersten Verfolger (Bähr/Bähr) am Morgen, das letzte Rennen abzusagen. Für die Gebrüder Bähr war es eine Gelegenheit, ihre vergangenen Duelle mit Markus Wieser Revue passieren zu lassen. „2007 waren wir uns zum ersten Mal begegnet – bei der Deutschen Meisterschaft im Match Race“, erinnert sich Leif Bähr.
In der Vorrunde konnten die Bährs dem Meister sogar einen Sieg abringen. Mangels Wind wurde die Schlussrunde schließlich verkürzt und eine weitere Begegnung verhindert. Wieser gewann den Titel. Die Bährs konnten die Revanche gewinnen, die German Open der Tempest 2019 am Wannsee. Nun lag Wieser wieder vorne, sodass Lars und Leif Bähr nun auf einen weiteren Sieg in einer Fortsetzung der Serie hoffen: „Wir würden ihn gerne bei einer Tempest-Weltmeisterschaft wiedersehen – und ihn dann schlagen.“
Glücksgefühle und Erleichterung machten sich bei Christian Spranger/Christopher Kopp (Chiemsee) nach dem Ende des neunten und letzten Rennens breit. Sie waren als Dritte mit einem komfortablen Vorsprung in den Tag gestartet und gingen als Dritte ins Ziel – allerdings nur knapp vor Herbert Kujan/Oliver Babik (Forggensee). „Start und Speed waren gut, aber am Luv haben wir die falsche Seite erwischt. Zum Glück ist es gut ausgegangen“, sagte Steuermann Spranger. Crew Kopp fasste die knappe Entscheidung in wenigen Worten zusammen: „Das war wieder ein Nervenkampf.“
Für die Tempest-Klasse war das Olympic Revival eine Rückkehr zu dem Ort, der das offene Jollen-Kielboot ins Rampenlicht rückte. Das vom Briten Ian Proctor entworfene Boot war in den 1960er Jahren seiner Zeit weit voraus, schlug 1965 bei den Versuchen für eine neue olympische Bootsklasse deutlich die Designkonkurrenz und erlangte schließlich den olympischen Status für die Spiele 1972.
Die rasante Entwicklung führte dazu, dass die Großen anderer Klassen auf die Tempest wechselten und um olympische Medaillen segelten. Valentin Mankin, der russische Finn-Olympiasieger von 1968, gewann mit der Tempest vor Kiel sein zweites olympisches Gold. Vier Jahre später holte Mankin in Kingston, Kanada, erneut Silber und verwies den US-Segelsuperstar Dennis Connor auf den dritten Platz. Aber nach den Spielen von 1976 verlor die Tempest ihren olympischen Status an den Star, mit dem Mankin 1980 erneut olympisches Gold gewann und einer der erfolgreichsten olympischen Segler aller Zeiten wurde.
Nach dem Verlust des Olympiastatus behielt die Tempest ihre Anziehungskraft vor allem in Mitteleuropa, in Süddeutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch in Frankreich und England. Aber auch in Australien und den USA gibt es noch einige Tempest. Dies spiegelte sich auch in der Meldeliste für das Kiel Olympic Revival wider. Europa ist am stärksten vertreten, aber auch die US-Flagge wehte zur WM. Meg Engelmann aus Minnesota hatte es sich nicht nehmen lassen, in Kiel anzutreten.
„Ich habe die Tage hier in Kiel sehr genossen. Wir waren schon ein paar Tage vorher angereist und hatten perfektes Sommerwetter“, berichtete die US-Amerikanerin, die vor rund 30 Jahren nach Deutschland kam, seit 25 Jahren verheiratet ist und am Chiemsee lebt. Aber die USA bleiben genauso ihre Heimat; Neben dem Segelclub Harras Chiemsee vertritt sie auch den Lake Harriet Yacht Club, wo sie einst auf einer Jolle segeln lernte.
Sie wurde vor vier Jahren von der Tempest Class Association entdeckt und in die Klasse gezogen. 2019 nahm sie erstmals an einer Tempest-Weltmeisterschaft am Tegernsee teil.
„Die Klasse ist wie eine große Familie, und mit Florian Fischer habe ich eine erfahrene Crew.“ Bei der Revival-Regatta segelte Meg Engelmann im Mittelfeld, ärgerte sich aber über eine vorzeitige Startdisqualifikation und einen Rennabbruch. „Aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht, hier zu segeln.“
Nordeuropäische Sternenmeisterschaft
Im Star zeigte der Finaltag, wie hart um nordeuropäische Titel und Platzierungen gekämpft wurde. Die Flotte war im letzten Rennen fast unüberschaubar. Rennleiter Robert Niemczcewski musste die Meute beim Start mehrfach zurückpfeifen, bevor er sie endlich auf die Strecke lassen konnte. Die Winddreher mischten sich dann in den Titelkampf ein, den am Ende der Däne Jörgen Schönherr mit seiner Hamburger Crew Markus Koy vor den Trainingspartnern Max Kohlhoff/Ole Burzinski (Kiel/Flensburg) und Reinhard Schmidt/Niels Hentschel (München/Schaumburg) gewann -Lippe).
„Wir sind konservativ gestartet, aber besser als Max. Nach dem ersten Aufwind waren wir Dritter. Es hat dann ein bisschen hin und her gewechselt, aber am Ende konnten wir uns auf den ersten Platz vorarbeiten“, sagte Schönherr. „Der Wind war so wechselhaft, dass ein Abdecken der Teilnehmer nicht möglich war“, ergänzte Koy, der sich am Morgen noch über die Strafpunkte geärgert hatte, die die Crew gesammelt hatte, weil sie die farbigen Leibchen für die Top-Crews nicht trug. „Natürlich freuen wir uns jetzt, aber die Strafpunkte ärgern mich ungemein. Eine Verwarnung hätte gereicht.“
Für Schönherr/Koy war das Olympic Revival die letzte Bewährungsprobe für die Star-WM in Marblehead/USA. Es ist die 100. Weltmeisterschaft der ehemaligen Olympiaklasse, die alle Topstars zusammenruft. Das dänisch-deutsche Duo hat sich viel vorgenommen: „Wir wollen besser werden als im Vorjahr“, sagt der WM-Vierte von 2021 schmunzelnd.
Auf die WM müssen Max Kohlhoff/Ole Burzinski verzichten. „Es fehlte an Finanzierung“, sagte Burzinski. Bei der jungen Mannschaft drückte die knappe Niederlage vor Kiel auf die Stimmung, hatten sie doch am Ende mit einem vierten Platz die Gesamtführung verschenkt. „Wir haben leider schon zu Beginn der Serie ein paar Punkte verloren. Im letzten Rennen sind wir vielleicht nicht nah genug an Jörgen und Markus dran geblieben. Aber auch die Bedingungen waren schwierig mit Strömung am Start und wechselnden Winden auf der Strecke, “ Burzinski versuchte, die Enttäuschung herunterzuschlucken.
„Wir nehmen viel mit aus der Regatta, aber leider haben wir uns nicht belohnt. Wir wollen in der Star-Klasse bleiben und planen für nächstes Jahr die Weltmeisterschaft in Scarlino.“
Fliegender Holländer (Internationale Deutsche Meisterschaft)
Jörgen Bojsen-Möller, der dänische FD-Olympiasieger von 1988, hatte mit seinem Bruder Jacob bereits am Samstag den schwierigen Windverhältnissen Tribut zollen müssen und war wegen zwei Ausrutschern aus dem Medal Race gestürzt. So wurde die Entscheidung um Gold, Silber und Bronze zum Duell der Nationen Deutschland und Ungarn – mit den Hauptdarstellern, die schon auf der Kieler Woche auf Augenhöhe agiert hatten. Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Arnsberg) arbeiten seit langem daran, die Rekordweltmeister Szabolcs Majthényi/András Domokos zu entthronen.
Jetzt durften die Deutschen feiern. Mit einem Etappensieg am Ende sicherten sich Lüdtke/Schäfers den Sieg. Wie groß die Erleichterung – nicht nur bei den Gewinnern – war, konnte man im Hafen beobachten. Nachdem die Boote geslippt waren, strömte die deutsche Flotte zu der erfolgreichen Crew, klatschte sie ab, nahm sie in die Arme und drückte sie fest.
„Endlich hat es geklappt. Dieses Selbstbewusstsein nehmen wir jetzt gerne mit an den Gardasee zur WM“, sagte Kay-Uwe Lüdtke. „Wir konnten die Ungarn öfter schlagen, haben aber im entscheidenden Rennen immer wieder Fehler gemacht.“ Und auch das Finale in Kiel war alles andere als ein einfaches Feld. „Heute sah der Wind eigentlich besser aus als gestern, aber dann war es wieder schwierig. Wir haben einen Linksdreher besser erwischt als die Ungarn und haben sie dann abgedeckt“, sagte Kai Schäfers. Während Lüdtke/Schäfers ihren dritten Sieg in Serie feierten, mussten sich Majthényi/Domokos mit Platz fünf begnügen.
„Das war schon so eine Art Mini-WM. Ein Top-Feld und enge Rennen. Deshalb zählt das für uns richtig. Die WM ist jetzt offen“, sagte Lüdtke.
Der FD-Bronzemedaillengewinner von 1972, Ulli Libor, strahlte an Land. „Es hat riesigen Spaß gemacht“, sagte der 82-Jährige im Gespräch mit Jörg Diesch, gegen den Ulli Libor/Ernst Greten bei den Spielen 1976 gescheitert waren. „Die FD ist viel schneller und damit auch anstrengender geworden“, ergänzt Libor.
Zweimal kenterten die Veteranen. Es sei anstrengend, wieder einzusteigen und weiterzusegeln, sagt Greten. „Und es kostet nur Plätze“, fügte Libor hinzu. Ob es die letzte Regatta in der FD war. „Man sollte nie nie sagen, aber eigentlich bin ich im 2.4mR angekommen“, blickte Libor voraus. Vielleicht einmal in Steinhude, wo sich die beiden vor vier Jahren kennengelernt hatten. Aber das Segeln ist hart am Vorschot. „Das Knie spielt nicht mit“, auch Greten fühlt sich am Ruder wohler. Jörg Diesch hörte zu und gestand, dass er mittlerweile lieber Gulets (Urlaubsboote in der Türkei) segelt.
Veranstaltungswebsite: 50jahreolympiakiel.de