50 Jahre Olympische Segelregatta in Kiel Tag 3 – Kleines Wetterfenster ermöglicht volles Programm
von Hermann Hell 19. August 15:44 PDT
10.-21. August 2022
Die Flaute blieb aus: Die Tempest absolvierte drei Rennen und machte damit ein Rennen aus. © www.segel-bilder.de
Das „große Ganze“ der Wettervorhersage der Kieler Wetterexperten von Wetterwelt sorgte bei der morgendlichen Sitzung des Wettfahrtkomitees zur Wiederaufnahme der Olympischen Segelregatten von 1972 für besorgte Gesichter.
Doch der direkte Blick durch den Nieselregen auf die Kieler Außenförde offenbarte dann die Chance zum Segeln. Und nach schneller Aktion bei wenig Wind kam die befreiende Nachricht von Bahn Juliett durch Rennleiter Fabian Bach: „Zweiter Renntag im Ziel, Meisterschaft gesichert.“ Gemeint war die Weltmeisterschaft der Tempest, die sogar ein Rennen mehr schafften und damit nach drei Tagen fünf Rennen in der Liste haben.
Das Olympia-Revival hat also zögerlich Fahrt aufgenommen, aber der Motor läuft. Bei den Dragons (drei Rennen), Flying Dutchman (drei Rennen) und Stare (zwei Rennen) meldeten sich ebenfalls erste Ergebnisse für die Ergebnisliste. Zur offiziellen Eröffnung der Veranstaltung am Abend im Olympiazentrum Markus Wieser/Thomas Auracher (Tempest World Championship), Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Flying Dutchman IDM), Ingo Ehrlicher/Michael Lipp/Anton Ehrlicher (Dragons) und Reinhard Schmidt/Niels Hentschel (Starboats) durften als aktuelle Tabellenführer gehen.
Sturm-Weltmeisterschaft
Zweimal in Folge (2019 und 2021) sind die bayerischen Profisegler Markus Wieser/Thomas Auracher nach dem Einstieg in die Tempest-Klasse Weltmeister geworden. Nun peilt der Titelverteidiger den Sieges-Hattrick an. Aber auf den olympischen Gewässern von 1972 wird es für sie nicht einfach.
Lars und Leif Bähr (Berlin) geben zwar erst ihr WM-Debüt, aber als zweifache German Open-Sieger (2019 und 2021) haben sie bereits bewiesen, dass sie auf den Sieg zählen können. So liefern sich die beiden Crews enge Duelle. Im dritten Rennen des Tages trieben sie es auf die Spitze. Nachdem sie jeweils einen ersten und einen dritten Platz belegt hatten, endete das letzte Rennen des Tages in einem fast toten Rennen. Die Reaktion beider Steuermänner war schließlich identisch: Zentimeterentscheidung! So zeigten sie es mit Zeigefinger und Daumen.
„Keine Ahnung, wer gewonnen hat“, sagten Markus Wieser und Lars Bähr Wort für Wort. Die Zielrichter sahen Wieser/Auracher vorne, was ihnen einen knappen WM-Vorsprung bescherte. „Die sind gut, die Jungs. Das sind harte Kämpfe, aber es ist alles freundschaftlich. So macht das Spaß“, sagte Wieser.
„Es war an sich ein erfolgreicher Tag, aber nicht für die Nerven“, berichteten die Bähr-Brüder. „Besonders beim letzten Rennen. Wir waren am Downwinder vorne, als Markus und Thomas mit frischem Wind reinkamen. Wir haben sie in einen Luvkampf gezwungen, damit sie uns nicht überholen.“ Das Überholmanöver konnten sie zwar verhindern, Wieser/Auracher waren aber an der Bahnmarke in Position, um früher zu halsen und den Kurs Richtung Ziel zu nehmen. Dicht an der Linie ging es weiter und ein kleines bisschen entschied über den Sieg.
Hinter den beiden besten Teams holen die Weltmeister von 2018 Christian Spranger/Christoph Kopp (Seebrucker RV) nach fünf Rennen Bronze.
IDM des Fliegenden Holländers
Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Arnsberg) mussten sich bei der Kieler Woche noch den Rekordweltmeistern im Fliegenden Holländer Szabolcs Majthényi/András Domokos geschlagen geben. Aber schon vor zwei Monaten haben sie gemerkt, dass die Ungarn nicht zu schlagen sind. Vor Kiel machten sie in den ersten Rennen einen großen Schritt, um die Dauersieger zu entthronen. In der 51 Boote starken Flotte dominierten Lüdtke/Schäfers den ersten Tag mit den Plätzen eins, eins und drei, fünf Punkte vor den Ungarn Majthényi/Domokos. Dahinter folgen Kilian König/Johannes Brack (Hamburger Segel-Club) und Dänemarks Olympiasieger von 1988 Jörgen Bojsen-Möller mit seinem Bruder Jacob am Vorschot.
„Heute lief es super. Immer die richtige Seite und gute Starts“, war Kai Schäfers sehr zufrieden mit dem Tag. „Zwei Start-Ziel-Siege und dann immer genug Speed, um die Führung auszubauen, waren gute Voraussetzungen für die Siege. Wir konnten immer bestimmen, wann wir wenden mussten“, sagte Steuermann Kay-Uwe Lüdtke. Auch wenn das dritte Rennen enger war, haben der zweimalige Kieler-Woche-Sieger und viermalige Deutsche Meister einen Podiumsplatz im Visier.
Aber noch wichtiger als die IDM in Kiel ist die Weltmeisterschaft in drei Wochen am Gardasee (Italien). „Vom Wettkampf her ist das schon fast eine Vor-WM. Es fehlen nur noch ein, zwei Crews, die ganz oben mitspielen“, sagt Schäfers. Und mit Blick nach Italien ist Lüdtke zuversichtlich. „Wir waren schon dreimal Vizemeister und haben schon Bronze geholt, da fehlt zur Abrundung nur noch eine Medaille“, sagt Lüdtke, der am Ende einen Podestplatz anstrebt, aber im Visier hat auf Gold gesetzt. Das sehen auch die Gebrüder Bojsen-Möller so: „Wir nutzen das Revival als Vorbereitung auf die WM. Allerdings hatten wir uns mehr Wind erhofft“, sagt Steuermann Jörgen. Mit der Tagesleistung war er nur bedingt zufrieden: „Bei den ersten beiden Rennen sind wir zu vorsichtig gestartet. Beim dritten war der Start gut, dann war es ein perfektes Rennen.“ Sein Bruder Jacob fügte hinzu: „Am Ende des Tages ist das Gefühl okay, aber am Anfang war es schrecklich. Ein großes Lob an die Rennleitung. Sie hat die Rennen schnell durchgebracht, und die Startlinien waren perfekt.“
Drachen
So schulterst du die Favoritenlast! Ingo Ehrlicher (Bavarian YC) und seine Crew wurden gerade Vierter bei der Drachenweltmeisterschaft, bester in Deutschland, und jetzt bilden er mit Sohn Anton und Taktiker Michael Lipp das Team, um im Feld der 35 Kielboote zu jagen. Und Ehrlicher lässt sich jagen. Mit anderen Worten, er lässt das Feld hinter sich. Drei Rennen, drei Siege lautet die Bilanz des „Dottore Amore“.
„In den ersten beiden Wettfahrten war auch etwas Glück im Spiel, aber die dritte haben wir klar mit 200 Metern Vorsprung gewonnen“, resümierte der Steuermann den perfekten Tag und lobte seine beiden Vorgesetzten. „Super Taktik und super Arbeit im Vorschiff. Das macht es dem Steuermann leicht.“
Taktiker Michael Lipp griff in den ersten beiden Rennen tief in die Trickkiste, um sein Team zum Sieg zu führen. Im ersten Rennen drohten die Favoriten nach dem Start zu stecken, wendeten und zogen bei freiem Wind mit Tempo und Höhe davon. Im zweiten Rennen führte sie die Entscheidung, nach rechts zu fahren, am zweiten Aufwind nach vorne und schließlich brachte sie eine frühe Halse bis ganz nach oben. Rundum zufrieden mit den Ergebnissen ist der 18-jährige Anton Ehrlicher, für den es die erste große Drachenregatta ist.
„Die Konkurrenz ist ganz gut, es gibt zehn sehr gute Mannschaften. Aber wir hätten uns etwas mehr Resonanz gewünscht, wir haben in Süddeutschland richtig geworben. Wir kommen gerne hierher“, sagte Ingo Ehrlicher. Taktiker Lipp kommt seit 23 Jahren zur Kieler Woche und stellt fest: „Es ist schön, die Drachen wieder hier zu haben.“
Stern
Die deutsche Star-Klasse konzentriert sich auf frische Talente und erntet nun die Früchte. Dank der großartigen Nachwuchsinitiative von Arnd Glunde (Flensburg) und Helge Spehr (Kiel) sind junge Umsteiger aus anderen Disziplinen in die ehemalige Olympiaklasse eingezogen und gestalten das Geschehen nun mit. Jan Borbet/Helge Spehr (München/Malente) belegten bei der letztjährigen Weltmeisterschaft auf Kieler Wasser den zwölften Platz als beste Junioren. Jetzt knüpfen sie an diese starke Leistung an, gewinnen das erste Rennen, müssen dann aber mit einem 17. Platz fertig werden.
So machen vorerst weitere junge Star-Segler auf sich aufmerksam: Max Kohlhoff/Ole Burzinski (Kiel/Flensburg) werden Vierte. „Besser als erwartet“, sagte Kohlhoff. „Die Bedingungen waren schwierig. Der Wind war mal an, mal ab. Mal ging es hart über links, dann hart nach rechts. Im ersten Rennen war es eine starke Aufholjagd von uns, im zweiten waren fast alle an der ersten Boje zur gleichen Zeit und es kam auf die Vorwindgeschwindigkeit an.“
Die ersten drei Plätze sind international gemischt. Reinhard Schmidt/Niels Hentschel (München/Schaumburg-Lippe) führen vor Jörgen Schönherr/Markus Koy (Dänemark/Hamburg) sowie den Niederländern Roel und Tjacko van Olst. „Es ist schön, mit Olympia 1972 die Vergangenheit zu ehren. Für mich war es damals ein großer Ansporn, mit dem Rennsport anzufangen. Mein großer Held war natürlich Paul Elvström“, berichtete Schönherr, der im ersten Rennen den ersten Platz wegen eines Defekts verlor kicker und gab damit nach dem ersten Tag auch die Gesamtführung ab. „Aber auf dem Wasser konnten wir alles reparieren“, sagte Meteorologe Markus Koy.
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