ORC Worlds 2023 auf Rekordkurs?
von Hermann Hell 12. Okt. 21:08 UTC
4.-12. August 2023
Der amtierende Europameister aus Berlin, Jens Kuphal (3.vr), hat sein „Intermezzo“ (Landmark 43) für die ORC-Weltmeisterschaft in Kiel gemeldet © www.segel-bilder.de
Bereits neun Monate vor dem ersten Start ist die Offshore (ORC) Weltmeisterschaft (4. – 12. August 2023) auf Rekordkurs.
Am Ende der Voranmeldung waren 128 Yachten aus 16 Nationen in die Teilnehmerliste eingetragen, wobei noch einige starke Kandidaten aus Estland fehlen, die bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Tallinn und in diesem Jahr bei der Europameisterschaft die Gruppe C dominierten in Hankö (Norwegen). Doch schon jetzt hat die zweite ORC-Weltmeisterschaft in Kiel die Chance, neue Teilnehmerrekorde aufzustellen. 151 Offshore-Yachten aus 15 Nationen traten bei der Weltmeisterschaft 2014 in Kiel an. Diese Marke ist bisher konkurrenzlos – vielleicht nur noch bis August 2023.
Neben der großen deutschen Flotte stellen die skandinavischen Länder Schweden (9), Dänemark (8), Finnland, Litauen und Norwegen (je 6) erwartungsgemäß die größten Kontingente. Während bei den Weltmeisterschaften auf dem Mittelmeer hauptsächlich Mittelmeerländer am Start waren, kommt der Großteil 2023 erwartungsgemäß aus der Ostsee.
Nach der Absage der Offshore-Weltmeisterschaften 2020 in den USA wechselt der Austragungsort der Weltmeisterschaften nun jährlich zwischen Ostsee und Mittelmeer. Nach der Weltmeisterschaft 2021 in Tallinn (Estland) mit 104 Teilnehmern aus zwölf Nationen und der Weltmeisterschaft 2022 beim italienischen Club Costa Smeralda (Sardinien) mit 69 Startern aus 14 Nationen folgt nun wieder die Ostsee mit Kiel als Austragungsort.
2014 waren hier 70 deutsche Yachten am Start, aktuell sind 60 für 2023 angemeldet. Zum schnellen Voranmeldungserfolg trug wohl auch ein Köder bei, denn eine der vorangemeldeten Yachten bekommt das Nenngeld erlassen.
„Das ist natürlich nur die Voranmeldung, aber wir freuen uns über die Begeisterung, die jetzt schon da ist. Und es werden sicher noch weitere Anmeldungen kommen“, sagt Eckart Reinke, Offshore-Chef beim Kieler Yacht-Club.
Während sich einige deutsche Yachten wie der amtierende Europa- und Weltmeister 2021 „Halbtrocken 4.5“ (Milles 45/Kieler Yacht-Club) um Eigner Michael Berghorn in diesem Jahr auf die Meisterschaften und Regatten in der Ostsee konzentriert hatten, waren andere wie die „Immac Fram“ unter der Leitung von Skipper Kai Mares kehrt nach einem kurzen Aufenthalt im Mittelmeer zurück. Der Besitzer aus Dänischenhagen hatte mit dem Italia 9.98 Deutsche Meisterschaften, Kieler Wochen und Travemünder Wochen gewonnen und war 2018 Vize-Weltmeister. Mit der Reise nach Mallorca suchten Stuten in diesem Jahr den Vergleich mit den großen Namen aus dem Mittelmeerraum.
„Auch um unseren Horizont zu erweitern“, sagte Mares, dessen großes Ziel die Weltmeisterschaft 2023 in seinem Heimatkreis Kiel ist. 2014 hatte die „Immac One4All“ (J/V49) als zweitbeste deutsche Yacht den sechsten Platz in der Gruppe A belegt. Mit der Italia 9.98 sind Mares und Crew nun in Gruppe C.
Bei der Weltmeisterschaft 2023 treffen die Besten der Besten aufeinander. Für Kiel sind die besten sechs der EM vor Norwegen in der Kategorie A, fünf der ersten sechs in der Kategorie B und drei in der Kategorie C gemeldet. Darunter natürlich auch die deutschen Medaillenhoffnungen. So tritt der amtierende Europameister Jens Kuphal (Berliner Yacht-Club) mit seiner „Intermezzo“ im direkten Vergleich mit zwei weiteren Landmark 43 aus Norwegen („White Shadow“, Torkjel Valland) und Finnland („Madam Grey“) an. , Sampsa Vehkamäki). Kuphal, der mit dem deutsch-französischen Team „Guyot Environnement Team Europe“ am Ocean Race teilnimmt, ist einer der engagiertesten Hochseesegler Deutschlands. Auch beim Ocean Race gibt es in Kiel ein Wiedersehen mit Imoca, denn das Rennen führt am 9. Juni im Vorbeiflug durch die Kieler Binnenförde. Kuphal und Skipper Robert Stanjek (Olympiasieger 2012 in London) kennen die Kieler Förde wie ihre Westentasche Hand. In diesem Jahr gewann das Team „Intermezzo“ im Rahmen der Kieler Woche die Kieler MaiOR-Regatta und den Kieler Pokal. Und der Kiel Cup hatte es mit allen Wetterkapriolen in sich.
Auch wenn sich der amtierende Europameister Michael Berghorn (KYC) bei der Kieler Woche mit dem dritten Platz begnügen musste, folgte in Hankö dem WM-Sieg 2021 der EM-Sieg 2022 und der Lohn für die umfangreiche Vorbereitung. Dafür verzichtete Berghorn in diesem Jahr auf die Verteidigung des WM-Titels im Mittelmeer und blieb seinen Heimatgewässern Nord- und Ostsee treu.
„Wir hatten die Titelverteidigung in Porto Cervo in Italien angestrebt, aber dann hatte ich Bedenken wegen Corona. Vielleicht ist die Yacht da, und wir haben keine Chance, dorthin zu gelangen. Und dann, als mir gesagt wurde, dass die 2023 WM in Kiel ist, haben wir uns entschieden, uns ganz auf die Heim-WM zu konzentrieren“, sagte Berghorn, der 2022 ein volles Programm im Norden absolvierte: MaiOR, Nordseewoche, Kieler Woche und dazwischen Rund Skagen.
„Da sind wir zweimal Zweiter geworden“, sagte Berghorn. Das Tripel war nicht das Ziel, und mit dem Sieg in ORC I wurde auch der Ruf eines womöglich ewigen Zweiten im Skagen Round Race ausgelöscht. Dazu wurde auch die Besatzung der „Halbtrocken 4.5“ erweitert. „Ich plane eher eine stärkere Rotation als ein A- und B-Team“, sagte Berghorn mit Blick auf die Urlaubspläne der Crew. An Bord sind ab sofort zwei Profis. Neben dem Dänen Jes Gram-Hansen stieg auch der Niederländer Frans Hinfelaar an Bord der „Halbtrocken 4.5“. „Wir haben viel vor“, erklärt Berghorn.
Und der EM-Sieg lässt einmal mehr aufhorchen. Die Erfolge machen glücklich und zufrieden, gleichzeitig steigen die Erwartungen. Und die Konkurrenz beobachtet die „Halbtrocken 4.5“ jetzt noch genauer, weiß der Hamburger, der inzwischen auch zwei J/70 in Kiel festgemacht hat und damit seinen eigenen Nachwuchs rekrutiert und ausbildet.
„Wir haben 2021 schon Platz 5 bei der J/70-Europameisterschaft geschafft“, sagt Berghorn, der in diesem Jahr auch einige Regatten in der J/70 segeln wird: So lerne man die Nachwuchssegler besser kennen, und die Lenkung ist noch direkter.
Die Erinnerung an 2014 ist bei vielen aktiven Seglern noch tief verwurzelt. So auch Kaus-Peter Boock, der mit seinem X-332 an der Weltmeisterschaft in Kiel teilnahm.
„Als gebürtiger Kieler ist es Pflicht- und Kürveranstaltung zugleich“, sagt Boock. Seit mehr als 25 Jahren vertritt er die Belange der Sporthafen GmbH und ist als dortiger Aufsichtsratsvorsitzender direkt am Puls des Kieler Segelsports. Mit seinem „Quattro“ ist der Mönkeberger immer für Erfolge gut, wie in diesem Jahr, als er die Aalregatta nach Eckernförde in der Klasse ORC III gewann.
„Wir wurden immer schneller. Das waren absolut unsere Bedingungen“, schwärmt Boock. Die WM 2023 ist für den damals 70-Jährigen mit seiner X-332 die vierte WM-Teilnahme: Flensburg (2010), Kiel (2014), Kopenhagen (2016) und Kiel 2023.
„Man muss die Meisterschaften dorthin geben, wo die aktiven Segler segeln wollen“, sagt Boock, der sich auch die IDM 2023 zur Kieler Woche als WM-Vorbereitung auf seinem Revier gewünscht hätte. Der absolute Kiel-Fan ist seit 2007 mit seiner X-332 auf den Regattakursen unterwegs, davor mit der 36 DB als absoluter Langstrecken-Fan. Das Ziel ist nun, den 28. Rang von 2014 zu toppen. Aber für Boock ist das Wichtigste, dabei zu sein, sowieso in Kiel.
„Die innovativen Kurse für die Mittelstrecke konnten wir bereits während der Kieler Woche testen“, sagt Eckart Reinke in seinem 28. Kieler-Woche-Jahr im Juni.
Der Kieler-Woche-Head of Offshore ist zusammen mit Stefan Kunstmann, Race Manager beim berühmten RORC in London und ebenfalls KYC-Mitglied, einer von drei Race Officers bei der WM in Kiel. Beide haben ihre Streckenvorschläge für die Mittelstrecken bereits beim Offshore Racing Congress (ORC) eingereicht. Reinke ist als Vorsitzender des Offshore-Ausschusses des Deutschen Segler-Verbandes ein ausgewiesener Offshore-Experte und eine treibende Kraft für den Segelsport in Deutschland. Der international renommierte Race Officer war an vier Weltmeisterschaften (2005, 2009, 2014 und 2021) beteiligt. Einsätze bei fünf Europameisterschaften, dem America’s Cup, dem Nord Stream Race, dem Farr40 Circuit sowie Rennleitungseinsätze in ganz Europa gehen auf sein Verdienst zurück.
„Segeln ist mehr, als Yachten wie große Jollen zu bewegen. Zum Segeln gehört auch das Navigieren bei Tag und Nacht, das Berechnen von Strömungen und das Planen optimaler Kurse“, sagt Reinke.
Die Hoffnung von ORC-Vizepräsident Eckhard von der Mosel, dass die Weltmeisterschaft im eigenen Land auch Impulse für die deutsche ORC-Flotte geben wird, scheint sich zu bewahrheiten. „Ich gehe davon aus, dass die ORC-Flotte in Deutschland bereichert und die Offshore-Szene wiederbelebt wird“, sagte der Jurist schon vor dem herausragenden Vormerkergebnis. Neue Yachten wie „Halbtrocken 4.5“ oder „X-Day“ (Lars Hückstädt/Hamburg) sind mittlerweile feste Positionen bei den ganz Großen (Kategorie A), während „Tutima“, „LM Hispaniola“ – beim Start 2014 – sind nicht mehr da und „Immac One4all“ und „Uijuijui“ sind in kleine Kategorien umgezogen.
Mit der Expertise zweier olympischer Segelsportler, mehr als 130 Jahren Kieler Woche und zahlreichen Welt- und Europameisterschaften stieß Kiel beim Offshore Racing Congress bereits im Bewerbungsverfahren auf offene Türen. Gute Kontakte können auch nicht schaden. Und die Kieler haben beste Kontakte zum Offshore Racing Congress: Reinkes Mentor Eckhard von der Mosel ist hier Vizepräsident. Der 67-jährige Kieler war 2014 selbst Organisationsleiter der Kieler WM und wird diese Aufgabe auch 2023 übernehmen. Reinke will sich derweil auf die Rennleitung konzentrieren.
Die Infrastruktur im Olympischen Segelzentrum Kiel-Schilksee mit Kränen, Gemeinschaftsliegeplätzen und Stellplätzen für die Trailer, das Wettfahrtbüro mit Räumen für Jury, Wettfahrtleitung und Organisation, Segeln vor den Zuschauern, ein modernes Medienzentrum und Flächen für Groß und Klein Eventzelte sind schlagkräftige Argumente für die Landeshauptstadt.
Auch eine umfassende Medienarbeit ist gewährleistet: Das Angebot reicht von Pressemitteilungen über Social Media wie Facebook und Instagram, die Präsentation der Weltmeisterschaft auf der offiziellen Event-Website bis hin zum Foto- und TV-Feed.
Umrahmt von einer Eröffnungsfeier und der Siegerehrung sind zwei Registrierungs- und Vermessungstage sowie sieben Renntage geplant.
Die größte Flotte wird ab heute wieder von der Werft X-Yachts gestellt, unter anderem mit der X-41 (6 Yachten), X-35 (5) und X-332 (5). Auch die Italia 9.98 Flotte ist mit fünf Booten stark vertreten.