Keil-Woche 2024: Wiedersehen von AFG zu ZIM mit Abschied vom Olympiateam
von Andreas Kling 17. Juni 07:13 PDT
22.-30. Juni 2024
Vorfreude auf die Kieler Woche 2024 von links: Nik Aaron Willim (ILCA 7), Dirk Ramhorst (Regattaorganisation) und Alexander Schlonski (ILCA 7 Nationaltrainer) © Christian Beeck
Internationalität und inklusive Vielfalt sind und bleiben ein herausragendes Markenzeichen der Kieler Woche.
Auch im Olympiajahr 2024 haben fünf Tage vor dem ersten Startschuss des Hauptorganisators Kieler Yacht-Club bereits Sportlerinnen und Sportler aus 53 Nationen ihre Teilnahme in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt angekündigt. Stärkste Olympia-Klasse (22. bis 26. Juni) ist die ILCA 7 mit Ex-Weltmeister Philipp Buhl aus Sonthofen und 120 Gegnern im Einer-Jolle, darunter auch seine starke internationale Trainingsgruppe. In der (geschlechter-)offenen, identen ILCA 6 im zweiten, internationalen Teil (27. bis 30. Juni) sind 175 Boote am Start. Getoppt wird das nur noch von der traditionellen Aalregatta für Seeboote. 194 Boote wollen gleich zum Start am ersten Samstag von der Innenförde nach Eckernförde düsen.
„Die Kieler Woche ist ein willkommenes Heimspiel und bleibt für uns ein Fixpunkt“, sagt ILCA-7-Bundestrainer Alexander Schlonski, „auch kurz vor Olympia ist ein Top-Wettkampf wertvoller als Training auf dem Wasser.“ Schließlich gebe es im baugleichen Einer-Jolle kein Material zum Austesten. Nach einer hochklassigen Olympia-Ausscheidung, die der zweimalige Olympiateilnehmer Buhl gegen den Spitzennachrücker Nik Aaron Willim gewann, führt Schlonski einen breiten Kader mit Anwärtern an, „der das nationale Niveau in der Klasse für die nächsten zehn Jahre in Deutschland sichern soll.“
Willim, der in Schleswig in der Qualifikation scheiterte und im DSV-Bundesleistungszentrum Schilksee längst zu Hause ist, blickt bereits nach Los Angeles 2028. „Ich habe lange überlegt, ob ich noch vier Jahre weitermachen soll“, sagt der 27-Jährige, „aber jetzt aufzuhören, wo ich an der Tür der Top Ten der Welt klopfe, kommt nicht in Frage.“ Nach seiner Bachelorarbeit will er zehn Monate in Belgien verbringen und dort einen Master in nachhaltiger Innovation studieren. Aber „zuerst möchte ich die Kieler Woche genießen, die immer ein tolles Highlight ist.“
Das sieht auch Medaillenaspirant Philipp Buhl so: „Die letzte Phase der Vorbereitung gibt mir ein sehr gutes Gefühl. Ich schöpfe jede Woche neue Motivation für das große Ziel in Marseille und möchte auch die Kieler Woche auskosten.“ In Kiel trifft er zudem auf seine Sparringspartner Herrmann Tomasgaard aus Norwegen, der vor drei Jahren in Enoshima auf dem Olympiapodest stand, und den Franzosen Jean-Baptiste Bernaz, Weltmeister vor zwei Jahren.
Eher exotische Länderkürzel von AFG über ESA, LCA und SAM bis ZIM lassen die Takelmeister tief in die Archive der Nationalflaggen greifen, die das Olympiazentrum Schilksee neun Tage lang schmücken werden. Alphabetisch von Afghanistan angeführt, gingen Einzelmeldungen aus El Salvador (ESA) und St. Lucia (LCA) ein, sowie aus Guatemala, Indien, Luxemburg, Marokko, Mexiko, Malta, Singapur, Slowenien, Tunesien und Simbabwe (ZIM). Sogar zwei Meldungen von den nördlich von Neuseeland gelegenen Samoa-Inseln sind dabei – Vaimo'Oi'a Ripley vom Apia Yacht Club ist nämlich gleich zweimal im ILCA 6 am Start, zunächst im olympischen und dann im internationalen Wettbewerb. Da lohnt sich die lange Anreise.
Wenig überraschend kommt das stärkste Teilnehmerfeld mit deutlich über der Hälfte aller Wasserfahrzeuge aus dem Gastgeberland, traditionell gefolgt von Dänemark (85) knapp vor Schweden (82). Die Absage des iQFOiL-Wettbewerbs sowie der Nacra 17 und der Europe war allerdings unumgänglich. „Der enge Terminplan rund einen Monat vor den olympischen Segelwettbewerben ist auch für uns eine Herausforderung, der wir jedoch mit einer sehr beeindruckenden Zahl an Meldungen begegnen können“, sagt Regatta-Organisationsleiter Dirk Ramhorst.
Dass die Kieler Woche weiterhin ein Anziehungspunkt für Spitzensegeln ist, beweisen etliche Namen. Auch wenn der Start der amtierenden Weltmeisterin und Olympiasiegerin Anne-Marie Rindom (Dänemark) noch ungewiss ist, hat sich auch die Schweizer Vizemeisterin von 2023, Maud Jayet, gemeldet, ebenso wie die Berlinerin Julia Büsselberg, die nach der erfolgreichen Nationen-Qualifikation noch über einen Härtefallbeschluss auf einen Olympia-Startplatz hofft. Mit Weltmeistern geschmückt wird das Feld in der inklusiven 2.4mR-Klasse von Titelverteidiger Heiko Kröger aus Ammersbek und seiner Vizemeisterin Meagan Pascoe (Großbritannien), die sich im August ebenfalls vor Schilksee mehr als nur ein Duell um die neuen WM-Ehren liefern dürften.
Zu den Favoriten im 29er-Eurocup, für den 140 Crews gemeldet sind, zählt die polnische Mädchen-Jugendweltmeisterin Ewa Lewandowska, die nun mit Vorschiffer Krzysztof Królik segelt. Auch die Jugend-WM-Bronzemedaillengewinnerinnen Boróka und Szonja Fehér aus Ungarn wollen dabei sein. Ihre Landsleute, die FD-Rekordweltmeister und amtierenden Vizeweltmeister Szabolcs Majthenyi/Andras Domokos stehen ebenso auf der Meldeliste wie die Vorjahressieger, amtierenden und Weltmeister 2022 Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Hannover).
KielerWoche.TV überträgt täglich live vom Mediatrack, den Auftakt machen die 49er FX-Frauen. Danach folgen die 49er (Sonntag), ILCA 7 (Mo), ILCA 6 (Di) und Medal Races. Ab Donnerstag sind die OK-Jollen mit über 80 am Start, danach folgen ILCA 6 (Open) und J/70. Als Abschluss sind am zweiten Sonntag die Rennen des Wingfoil Coaching- und Demo-Events geplant. Die Übertragungen werden nicht nur auf der Großleinwand hinter der Bühne der Audi Sailing Arena und auf den Videoscreens im gesamten Hafengelände zu sehen sein, sondern auch im Internet.
Weil Kiel nicht nur das vielbeschriebene Mekka des Segelsports ist, sondern Schilksee auch Olympiastützpunkt des Deutschen Segler-Verbandes (DSV) ist, plant der Verband eine Halbzeitpräsentation und Verabschiedungszeremonie seines Olympiateams für die Pariser Spiele. Bevor am Mittwochnachmittag nach den Medal Races die Meister der Kieler Woche 2024 geehrt werden, stehen die deutschen Athleten für Marseille ab 16 Uhr in der Audi Sailing Arena auf der Bühne und stehen anschließend für Autogramme und Selfies zur Verfügung. In acht von zehn Disziplinen gelten Nominierungen des DOSB als sicher, darunter auch Tickets für die Lokalmatadoren und Bronzemedaillengewinner aus Japan, Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer (Nacra 17 cat).
Ihre starke Verbundenheit zur Heimat wird Susann Beucke aus Strande am Samstag (22. Juni) unterstreichen. Auch „Sanni“ errang vor drei Jahren mit „Silber“ im 49erFX ihre olympischen Lorbeeren und widmete sich anschließend dem Hochseesegeln. Zwischen zwei Figaro-Regatten wird sie am Vormittag im Helly Hansen-Zelt eine Autogrammstunde geben, ihre neue Autobiografie „Gegen den Wind“ signieren und einen Vortrag für den Seglernachwuchs halten.
Am Nachmittag geht der 33-Jährige als Schirmherr des inklusiven BAT Sailing Teams aufs Wasser. Dieses wird erneut mit seh- und hörgeschädigten Crews in der internationalen J/70-Klasse antreten. Nichtbehinderte können den Erfolg des bloßen Dabeiseins kaum ermessen. Integration ist längst mehr als nur eine wichtige Facette der Kieler Woche. Wie ihr Ursprung ist die Kutterregatta mit über 1.400 Seglern und Gästen ein funkelnder Mosaikstein der schönsten und längsten Woche des Jahres im Land zwischen den Meeren.